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Schwarmspeicher vs. Großspeicher: Warum kleine Lösungen große Vorteile bieten

Geschrieben von Markus Baumann | May 17, 2025 11:56:23 AM

Warum dezentrale Batteriespeicherlösungen mit bis zu 250 kW Leistung der Schlüssel zum schnellen Ausbau von Energiespeichern sind und welche konkreten Vorteile sie bei Genehmigung, Netzanschluss und steuerlicher Behandlung bieten

Die Energiewende in Deutschland stellt das Stromnetz vor enorme Herausforderungen. Batteriespeicher sind ein wichtiger Schlüssel zur Stabilisierung des Netzes und zur Integration erneuerbarer Energien. Doch bei der Implementierung gibt es verschiedene Ansätze: Während große zentrale Speicherprojekte Aufmerksamkeit erregen, bieten dezentrale Schwarmspeicher entscheidende praktische Vorteile. Ein sachlicher Vergleich.

Die Rolle von Batteriespeichern in der Energiewende

Für eine erfolgreiche Energiewende mit einem stetig wachsenden Anteil erneuerbarer Energien sind Speicherlösungen unverzichtbar. Das deutsche Stromnetz muss zunehmend Schwankungen ausgleichen, die durch die wetterabhängige Einspeisung von Wind- und Solarenergie entstehen. Bis 2030 werden laut Experten etwa 100 Gigawatt Speicherkapazität benötigt, um die Energiewende zu bewältigen – aktuell sind erst etwa 5% davon realisiert.

Batteriespeicher übernehmen dabei mehrere entscheidende Funktionen:

  • Sie speichern überschüssigen Strom zu Zeiten hoher Einspeisung
  • Sie geben gespeicherte Energie bei hoher Nachfrage wieder ab
  • Sie stabilisieren die Netzfrequenz durch schnelle Reaktionszeiten
  • Sie ermöglichen Arbitrage-Handel durch zeitliche Verschiebung der Stromnutzung

Doch bei der Implementierung von Speicherlösungen stellt sich eine zentrale Frage: Ist der Ansatz großer, zentraler Speicherprojekte oder die Vernetzung vieler kleiner, dezentraler Speicher die bessere Strategie?

Der dezentrale Ansatz: Was sind Schwarmspeicher?

Schwarmspeicher verfolgen ein dezentrales Konzept: Statt auf wenige große Batteriespeicher zu setzen, werden viele kleine Speichereinheiten mit Leistungen bis zu 250 kW über verschiedene Standorte verteilt und intelligent vernetzt. Als Gesamtsystem bilden sie einen virtuellen Großspeicher, der zentral gesteuert und optimiert werden kann.

Diese Speichereinheiten werden typischerweise am Niederspannungsnetz angeschlossen und auf bestehenden Gewerbeflächen installiert. Sie können flexibel dort platziert werden, wo sie tatsächlich benötigt werden – etwa in Regionen mit hoher PV-Einspeisung oder an neuralgischen Punkten des Stromnetzes.

Schlüsselvorteile von Schwarmspeichern gegenüber Großspeichern

1. Schnellere und einfachere Genehmigungsverfahren

Ein entscheidender Vorteil von Schwarmspeichern liegt in den deutlich vereinfachten Genehmigungsverfahren:

  • Keine Bebauungsplanverfahren: Kleine Speichereinheiten bis 250 kW können auf Gewerbegrundstücken ohne Bebauungsplanverfahren errichtet werden. Sie fallen in vielen Bundesländern unter das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren oder sind sogar genehmigungsfrei.
  • Reduzierter Verwaltungsaufwand: Während Großspeicher oft komplexe Umweltverträglichkeitsprüfungen und umfangreiche Genehmigungsverfahren erfordern, können dezentrale Speicherlösungen mit deutlich reduziertem bürokratischen Aufwand implementiert werden.

Die regulatorischen Hürden stellen für den Batteriespeichermarkt eine erhebliche Herausforderung dar. Eine von Clean Horizon Consulting durchgeführte Umfrage unter deutschen Stadtwerken ergab, dass 46% der Befragten in den komplizierten regulatorischen Rahmenbedingungen den Hauptgrund für den schleppenden Ausbau von Großspeichern sehen.

2. Vorteile beim Netzanschluss

Der Netzanschluss wird zunehmend zum Flaschenhals für die Energiewende:

  • Schnellere Netzanschlüsse: Während für Großspeicher oft neue Hochspannungsanschlüsse mit langen Vorlaufzeiten erforderlich sind, können Schwarmspeicher über vorhandene Netzanschlüsse im Niederspannungsbereich angeschlossen werden.
  • Verfügbare Kapazitäten: Die Übertragungsnetzbetreiber verzeichnen bereits über 650 Anschlussanfragen für große Batteriespeicher mit insgesamt 226 Gigawatt. Diese Anschlusskapazitäten sind jedoch begrenzt und die Wartezeiten werden immer länger.
  • Dezentrale Entlastung: Schwarmspeicher entlasten das Netz genau dort, wo es nötig ist – an lokalen Engpassstellen. Sie reduzieren den Bedarf an teurem Netzausbau und können Netzengpässe gezielt adressieren.

3. Beschleunigte Implementierung und Skalierung

Zeit ist ein kritischer Faktor in der Energiewende:

  • Kürzere Projektlaufzeiten: Während Großspeicherprojekte oft mehrere Jahre von der Planung bis zur Inbetriebnahme benötigen, können dezentrale Speichereinheiten innerhalb weniger Monate installiert und aktiviert werden.
  • Modulare Skalierung: Schwarmspeicher ermöglichen eine schrittweise Skalierung – das System kann kontinuierlich wachsen, ohne dass von Anfang an große Investitionen nötig sind.
  • Flexible Standortwahl: Die kleinen Einheiten können genau dort platziert werden, wo sie gebraucht werden oder wo günstige Rahmenbedingungen herrschen.

4. Steuerliche Vorteile für Investoren

Ein wichtiger, oft übersehener Aspekt beim Vergleich von Speicherkonzepten sind die steuerlichen Implikationen für Investoren:

  • Investitionsabzugsbetrag (IAB): Der IAB nach § 7g EStG ermöglicht es, bis zu 50% der geplanten Anschaffungskosten bereits vor der Investition steuerlich geltend zu machen. Diese Vergünstigung ist besonders attraktiv für kleinere, abgrenzbare Wirtschaftsgüter.
  • Herausforderungen bei Großspeichern: Bei großen, integrierten Speichersystemen kann die Anerkennung als einzelnes bewegliches Wirtschaftsgut problematisch sein, da die Komponenten oft nicht klar abtrennbar sind. Dies kann die IAB-Nutzung erschweren oder verhindern.
  • Rechtssicherheit bei Schwarmspeichern: Kleinere, eigenständige Speichereinheiten qualifizieren sich eindeutig als bewegliche Wirtschaftsgüter und bieten somit mehr Rechtssicherheit bei der steuerlichen Behandlung.

Für Investoren bedeutet dies konkret: Bei einem Schwarmspeicher-Investment können sie die IAB-Vorteile mit hoher Sicherheit nutzen, während bei Großspeichern eine detaillierte Prüfung und möglicherweise zusätzliche Garantien des Projektentwicklers erforderlich sind, um steuerliche Risiken zu minimieren.

Praktische Umsetzung und Marktentwicklung

Die Vorteile von Schwarmspeichern spiegeln sich bereits in erfolgreichen Implementierungen wider:

  • Erste Schwarmspeicher-Projekte nehmen aktiv am Energiemarkt teil
  • Die virtuellen Großspeicher gleichen sekundenschnell Schwankungen im Stromnetz aus
  • Projektentwickler wie AURIVOLT und andere haben erste erfolgreiche Geschäftsmodelle etabliert

Der Markt für dezentrale Speicherlösungen wächst rapide. Besonders die Kombination aus direkter Investitionsmöglichkeit und der Nutzung bestehender Gewerbeflächen schafft ein attraktives Modell: Investoren können in eigenständige Speichereinheiten investieren, während Unternehmen ungenutzte Flächen wie Parkplätze oder Lagerflächen für die Installation bereitstellen und dadurch zusätzliche Einnahmen generieren.

Großspeicher: Sinnvoll, aber mit Einschränkungen

Dies bedeutet nicht, dass Großspeicher generell keine Berechtigung haben. Sie bieten durchaus Vorteile:

  • Skaleneffekte bei Anschaffung und Betrieb
  • Geringere relative Kosten für Leistungselektronik und Steuerungstechnik
  • Mögliche Nachnutzung bestehender Infrastruktur (z.B. an ehemaligen Kraftwerksstandorten)

Eine Fraunhofer-Studie zeigt, dass die Installation von Großspeichern an ehemaligen Kraftwerksstandorten sinnvoll sein kann, da dort die Netzinfrastruktur bereits vorhanden ist. Dennoch bleiben die praktischen Hürden hinsichtlich Genehmigung, Finanzierung und Implementierungsgeschwindigkeit bestehen.

Fazit: Die Zukunft gehört hybriden Ansätzen

Die Energiewende benötigt diverse Speicherlösungen auf allen Ebenen. Während Großspeicher eine wichtige Rolle spielen werden, bieten dezentrale Schwarmspeicher entscheidende Vorteile bei der Implementierungsgeschwindigkeit, Genehmigung und Netzanbindung.

Für Investoren sind Schwarmspeicher besonders attraktiv, da sie:

  • schneller realisierbar sind
  • weniger regulatorische Hürden überwinden müssen
  • klare steuerliche Vorteile bieten
  • ein skalierbares Investment mit planbaren Renditen ermöglichen

Die Energiewende braucht pragmatische, schnell umsetzbare Lösungen. Schwarmspeicher leisten hier einen entscheidenden Beitrag und ergänzen traditionelle Speicherkonzepte in idealer Weise. Sie repräsentieren eine dezentrale, agile Antwort auf die Herausforderungen der Energiewende – genau wie die erneuerbaren Energien selbst.

Quellenverweis und Kommentar zur IAB-Problematik bei Großspeichern
Rechtliche Grundlagen

Die Herausforderungen bei der Nutzung des Investitionsabzugsbetrags (IAB) für Großspeicher lassen sich auf mehrere rechtliche Grundlagen zurückführen:

1. Gesetzliche Basis: § 7g EStG

Gemäß § 7g Abs. 1 und Abs. 2 EStG können Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder Herstellung von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens einen Investitionsabzugsbetrag in Anspruch nehmen.
Der entscheidende Punkt ist hier die Definition des "beweglichen Wirtschaftsguts". Hierzu hat der Bundesfinanzhof (BFH) in mehreren Urteilen Stellung bezogen.

2. BFH-Rechtsprechung zur Abgrenzung beweglicher Wirtschaftsgüter

  • BFH-Urteil vom 26.08.2010 (Az. III R 5/07): Hier wurde festgestellt, dass für die Qualifikation als bewegliches Wirtschaftsgut entscheidend ist, ob die Komponente ohne erhebliche Substanzverluste von der Gesamtanlage getrennt werden kann.
  • BFH-Urteil vom 14.03.2006 (Az. XI R 16/04): Dieses Urteil betont, dass bei komplexen Anlagen die Eigenständigkeit der einzelnen Komponenten maßgeblich ist.

3. Verwaltungsanweisung: BMF-Schreiben vom 20.11.2013 (BStBl I S. 1493)

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat in einem Schreiben klargestellt, dass bei der Beurteilung funktional eigenständiger Betriebsvorrichtungen eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist. Bei fest mit dem Gebäude verbundenen Anlagen kann die Beweglichkeit in Frage gestellt werden.

Konkrete Problematik bei Großspeichern
Technische Gegebenheiten:

Großspeicher sind typischerweise komplexe, integrierte Anlagen mit folgenden Merkmalen:

  1. Gemeinsame Steuerungssysteme: Oft teilen sich mehrere Batteriestränge ein zentrales Batteriemanagementsystem (BMS) und gemeinsame Wechselrichter.
  2. Bauliche Integration: Häufig sind die Komponenten fest in Container oder Gebäudestrukturen integriert und nicht ohne weiteres separat nutzbar.
  3. Zentrale Netzanbindung: Die Netzanbindung erfolgt meist über einen gemeinsamen Netzanschlusspunkt mit geteilter Schalt- und Schutztechnik.

Steuerrechtliche Konsequenzen:

Diese technischen Gegebenheiten führen zu steuerrechtlichen Herausforderungen:

  1. Abgrenzungsproblematik: Finanzbehörden könnten argumentieren, dass der Großspeicher als Gesamtanlage zu betrachten ist und nicht als Sammlung einzelner beweglicher Wirtschaftsgüter.
  2. Feststellungslast: Der Investor trägt die Feststellungslast für den Nachweis der Beweglichkeit und funktionalen Eigenständigkeit der einzelnen Komponenten.
  3. Einzelfallbetrachtung: Die steuerliche Beurteilung erfolgt stets einzelfallbezogen, was zu Rechtsunsicherheit führt.

Praxisbeispiele und Expertenmeinungen
WTS-Steuerberatung (2023):

"Bei komplexen Energiespeicheranlagen ist die Abgrenzung beweglicher Wirtschaftsgüter für Zwecke des IAB oft streitanfällig. Eine detaillierte technische Dokumentation und möglichst modulare Konzeption sind entscheidend für die steuerliche Anerkennung."

KPMG-Studie zu Energiespeichern (2024):

"Die funktionale Eigenständigkeit einzelner Komponenten in Großspeichersystemen ist für die IAB-Anwendung kritisch. Insbesondere bei stark integrierten Anlagen besteht ein erhöhtes Risiko der Nichtanerkennung durch die Finanzverwaltung."

Praxisleitfaden Bundesverband Energiespeicher (BVES):

Der BVES empfiehlt in seinem Leitfaden zur steuerlichen Behandlung von Energiespeichern, bei der Planung von Großspeichern frühzeitig steuerliche Expertise einzubeziehen und ggf. verbindliche Auskünfte der Finanzverwaltung einzuholen.

Unterschied zu dezentralen Schwarmspeichern

Im Gegensatz zu Großspeichern bieten dezentrale Schwarmspeicher folgende Vorteile:

  1. Klare Abgrenzbarkeit: Jede einzelne Speichereinheit ist technisch und funktional eigenständig mit eigener Steuerungstechnik und Netzanschluss.
  2. Eindeutige Zuordnung: Die einzelnen Einheiten können problemlos einzeln aktiviert, stillgelegt oder ersetzt werden.
  3. Rechtssicherheit: Die Qualifikation als bewegliches Wirtschaftsgut ist deutlich einfacher nachzuweisen und weniger angreifbar.

Empfehlungen für die Praxis

Für Großspeicherprojekte:

  • Frühzeitige Abstimmung mit Steuerberatern und ggf. Einholung einer verbindlichen Auskunft vom Finanzamt
  • Sorgfältige technische Dokumentation zur Abgrenzung einzelner funktionsfähiger Module
  • Vertraglich festgelegte Garantien des Projektentwicklers bezüglich IAB-Fähigkeit

Für Schwarmspeicher:

  • Dokumentation der technischen Eigenständigkeit jeder Einheit
  • Klare vertragliche Trennung zwischen Kauf-, Pacht- und Betriebsführungsverträgen
  • Transparenter Nachweis der Beweglichkeit und Versetzbarkeit der einzelnen Einheiten

Fazit

Die IAB-Nutzung bei Großspeichern ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, aber mit erheblichen rechtlichen Unsicherheiten verbunden. Der dezentrale Ansatz mit klar abgrenzbaren Schwarmspeichern bietet hingegen eine höhere Rechtssicherheit für die steuerliche Optimierung durch den Investitionsabzugsbetrag nach § 7g EStG.

Dieser Artikel stellt eine sachliche Analyse der Vor- und Nachteile verschiedener Speicherkonzepte dar. Für individuelle Investitionsentscheidungen empfehlen wir eine persönliche Beratung, die Ihre spezifische Situation berücksichtigt.